Ludwig Uhland

 

 

Text
Editionsbericht
Literatur

 

                    Freie Kunst.

 

5   Singe, wem Gesang gegeben,
In dem deutschen Dichterwald!
Das ist Freude, das ist Leben,
Wenn's von allen Zweigen schallt.

Nicht an wenig stolze Namen
10   Ist die Liederkunst gebannt;
Ausgestreuet ist der Saamen
Ueber alles deutsche Land.

Deines vollen Herzens Triebe,
Gieb sie keck im Klange frei!
15   Säuselnd wandle deine Liebe,
Donnernd uns dein Zorn vorbei!

Singst du nicht dein ganzes Leben,
Sing' doch in der Jugend Drang!
Nur im Blütenmond erheben
20   Nachtigallen ihren Sang.

Kann man's nicht in Bücher binden,
Was die Stunden dir verleih'n:
Gieb ein fliegend Blatt den Winden,
Muntre Jugend hascht es ein.
25    
[4] Fahret wohl geheime Kunden,
Nekromantik, Alchymie!
Formel hält uns nicht gebunden,
Unsre Kunst heißt Poesie.

Heilig achten wir die Geister,
30   Aber Namen sind uns Dunst;
Würdig ehren wir die Meister,
Aber frei ist uns die Kunst.

Nicht in kalten Marmorsteinen,
Nicht in Tempeln, dumpf und todt:
  In den frischen Eichenhainen
Webt und rauscht der deutsche Gott.

 

 

 

 

Erstdruck und Druckvorlage

Deutscher Dichterwald.
Von Justinus Kerner, Friedrich Baron de la Motte Fouqué, Ludwig Uhland und Andern.
Tübingen: Heerbrandt 1813, S. 3-4.

URL: https://archive.org/details/deutscherdichte00uhlagoog
URL: http://catalog.hathitrust.org/Record/006628255
PURL: http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB00029AD700000000
URL: https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Deutscher_Dichterwald

Gezeichnet: Uhland.

Die Textwiedergabe erfolgt nach dem ersten Druck (Editionsrichtlinien).

Entstehung: 24. Mai 1812.
Vgl. J[ulius] Hartmann (Hrsg.): Uhlands Tagbuch 1810 – 1820.
Aus des Dichters handschriftlichem Nachlaß.
2. Aufl. Stuttgart: Cotta 1898, S. 85.
URL: https://archive.org/details/bub_gb_M5kuAAAAYAAJ

 

 

Bibliographie der Almanache

 

Mit Änderungen aufgenommen in

 

Kommentierte und kritische Ausgaben

 

 

 

Literatur

Brandmeyer, Rudolf: Poetologische Lyrik. In: Handbuch Lyrik. Theorie, Analyse, Geschichte. Hrsg. von Dieter Lamping. 2. Aufl. Stuttgart 2016, S. 164-168.

Decker, Jan-Oliver: Selbstreflexion der Ballade in der Ballade. Uhlands Des Sängers Fluch (1815) und Goethes Ballade (1820. In: Selbstreferenz in der Kunst. Formen und Funktionen einer ästhetischen Konstante. Festschrift für Claus-Michael Ort. Hrsg. von Nikolas Buck u. Jill Thielsen. Baden-Baden 2020, S. 151-164.

Dehrmann, Mark-Georg: Des Sängers Fluch. Philologie und Dichtung bei Ludwig Uhland. In: Poeta philologus. Eine Schwellenfigur im 19. Jahrhundert. Hrsg. von Mark-Georg Dehrmann u.a. Bern u.a. 2010 (= Publikationen zur Zeitschrift für Germanistik; N.F., 22), S. 83-100.

Dehrmann, Mark-Georg: Studierte Dichter. Zum Spannungsverhältnis von Dichtung und philologisch-historischen Wissenschaften im 19. Jahrhundert. Berlin u.a. 2015.

Doerksen, Victor G.: Ludwig Uhland and the Critics. Columbia, SC 1994.

Genette, Gérard: Paratexte. Das Buch vom Beiwerk des Buches. Frankfurt a.M. 2001 (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft, 1510).

Gymnich, Marion / Müller-Zettelmann, Eva: Metalyrik: Gattungsspezifische Besonderheiten, Formenspektrum und zentrale Funktionen. In: Metaisierung in Literatur und anderen Medien. Theoretische Grundlagen – Historische Perspektiven – Metagattungen – Funktionen. Hrsg. von Janine Hauthal u.a. Berlin u.a. 2007 (= spectrum Literaturwissenschaft / spectrum Literature, 12), S. 65-91.

Hinck, Walter (Hrsg.): Schläft ein Lied in allen Dingen. Das Gedicht als Spiegel des Dichters. Poetische Manifeste von Walther von der Vogelweide bis zur Gegenwart. Frankfurt a.M. 1985.

Klenner, Andreas: Vom romantischen Volkslied zur Vormärzlyrik. Poetische Entwicklungslinien bei Kerner, Uhland und W. Müller. Berlin 2002.

Knödler, Stefan: Schwäbische philologische Romantik. In: Romantik in Württemberg. Hrsg. von von Nicole Bickhoff u. Wolfgang Mährle. Stuttgart 2020, S. 151-172.

Lombez, Christine: La traduction de la poésie allemande en français dans la première moitié du XIXe siècle. Réception et interaction poétique. Tübingen 2009 (= Communicatio, 40).
Uhland passim.

Paefgen, Elisabeth K.: Uhland – Goethe – Geibel. Anmerkungen zur lyrischen Kanonentwicklung im "Echtermeyer" des 19. Jahrhunderts. Volkstümlichkeit – Klassik – Nationales. In: Literaturdidaktik – Lektürekanon – Literaturunterricht. Hrsg. von Detlef C. Kochan Amsterdam 1990 (= Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik, 30), S. 251-287.

Pott, Sandra: Poetiken. Poetologische Lyrik, Poetik und Ästhetik von Novalis bis Rilke. Berlin u. New York. 2004.

Potthast, Barbara (Hrsg.): Provinzielle Weite. Württembergische Kultur um Ludwig Uhland, Justinus Kerner und Gustav Schwab. Heidelberg 2014 (= Beihefte zum Euphorion, 71).

Singh, Stephanie: Art. Uhland. In: Internationales Germanistenlexikon, 1800 – 1950. Bd. 3. Berlin u.a.: de Gruyter 2003, S. 1918-1920.

Uhland, Ludwig: Das Stylisticum. Hrsg. von Helmuth Mojem u. Stefan Knödler. 2 Bde. Göttingen 2022.

Waldmüller, Monika: Bibliographie Ludwig Uhland. Selbständige und unselbständige Drucke zu Lebzeiten 1806-1862. In: Ludwig Uhland 1787 – 1862. Dichter, Germanist, Politiker. Hrsg. von Walter Scheffler u.a. Marbach: Deutsche Schillergesellschaft 1987 (= Marbacher Magazin, 42), S. 77-95.

Zimmer, Ilonka: Uhland im Kanon. Studien zur Praxis literarischer Kanonisierung im 19. und 20. Jahrhundert. Frankfurt a.M. 2009 (= Siegener Schriften zur Kanonforschung, 8).

 

 

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