Rudolf Erich Raspe

 

 

Text
Editionsbericht
Literatur: Raspe
Literatur: Neue Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste

 

[Rezension]

 

Reliques of ancient english Poetry, consisting of old Ballads, Songs and other Pieces of our earlier Poets, chiefly of the lyric Kind together with some few of later date. Vol. I. II. III. London printed for J. Dodsley 1765. 8vo. Ueberbleibsel von der alten englischen Poesie etc.

 

Wir haben zwar in dem ersten Stücke dieser unsrer neuen Bibliothek schon eine kurze und vorläufige Nachricht von dieser merkwürdigen Sammlung gegeben, da wir aber hernachmals noch näher damit bekannt geworden sind, und gefunden haben, lectam placere bis lectam placituram, so wollen wir sie unsern Lesern nach ihrem Werthe und Innhalte gleichfalls bekannter zu machen suchen.

Der Herausgeber derselben, Herr Thomas Percy, hat es an nichts fehlen lassen, was ihr zur Empfehlung gereichen konnte, denn außer zweyen vor dem ersten und dritten Bande befindlichen sehr lehrreichen Vorreden, hat er am Ende eines jeden Bandes ein sehr brauchbares und nothwendiges Glossarium über die veralterten Wörter hinzugefügt, und jedem Stücke ungemein gründlich geschriebne [55] und bewiesene Nachrichten vordrucken lassen, aus welcher Bibliothek, Handschrift oder Sammlung sie genommen, und wie weit sie in der alten Geschichte gegründet oder daraus zu erklären sind. Er ist aber auch kein bloßer Antiquarius, dem alles gut ist was alt und verlegen ist; nein, er hat die Genauigkeit eines Kunstrichters und die Liebhaberey des Alterthums mit einem feinen Geschmacke in der Wahl der Stücke zu verbinden gewußt, so daß seine Sammlung dem Liebhaber alter Sprachen und Gebräuche, und den <edlern> Freunden der Dichtkunst gleich angenehm und willkommen seyn wird.

Hinter der Vorrede des ersten Bandes steht ein Versuch über die alten englischen Minstrels oder Meistersänger. Sie sind, wie unsre deutsche Meistersänger, die Nachfolger derer bey allen Völkern, celtischen Ursprunges, so bekannten und hochgeschätzten Barden: denn hörte man bey der Einführung des Christenthums gleich auf die Barden, und ihre Lieder für göttlich und heilig zu halten, so blieb dennoch ein ganzer Stand der Nation, der sich theils mit Verfertigung, theils mit Absingung verschiedner dem Geschmacke der Zeiten gemäßer Lieder auf eine anständige Art nähren konnte. Dieses waren die harpers, minstrels, jongleurs oder Meistersänger, die man in den mittlern Zeiten bey allen Völkern mit ihren Harfen, und aller Orten, vornehmlich an den Höfen und bey feyerlichen Gelegenheiten willkommen findet. Sie sangen und spielten für die Gebühr und die Kost, doch dies benahm ihrer Ehre und ihrer Kunst nichts.

[56] O! how fall'n! how changed
From what we were before!

wird mancher hungriger Gelegenheitsdichter hiebey denken, dem seine Verse .... doch was gehen uns die unsrigen an. Die, von denen wir reden, hatten noch vieles von dem Ansehen der alten Barden beybehalten. Ihre Kunst war eine höfliche Kunst. Sie ward von Königen und Fürsten getrieben und geschätzet. Sie wurden aller Orten frey bewirthet, und selbst ihre Person war bey den Sachsen, Dänen und andern Völkern heilig. Alfred der Große (Sec. XI.) gieng als ein Meistersänger gekleidet fingens se joculatorem assumpta cithara –––– sub specie mimi –––– vt joculatoriae professor artis, ins dänische Lager, um es auszukundschaften, und ward daselbst, ob man gleich an seiner Sprache merken konnte, daß er ein Sachse sey, aller Orten ohne Bedenken, ja selbst zur Tafel des Königes zugelassen. Sechzig Jahre nachher bediente sich der dänische König Anlaff derselben List gegen den englischen König Athelstan. In eben solcher Verkleidung zog ein König Estmer in einem alten Heldenliede dieser Sammlung, welches wir hernachmals mittheilen wollen, der Liebe und Abentheuern nach, und Froissard sagt Kap. 140. daß Herolde und Minstrels sicher in Feindes Landen reisen könnten. Vor der normannischen Eroberung (Sec. XI.) findet man übrigens nicht, daß das Wort Minstrel in England gebräuchlich gewesen. Unter König Richard II. (Sec. XIV.) haben sie eine besondre Zunft [57] ausgemacht: denn zu Tuttbury in Staffordshire ward ein jährlich zu haltendes Meistersängergericht aufgerichtet, und ihnen das Recht ertheilet, sich alle Jahre einen König nebst vier Beamten zu erwählen. Die hieher gehörenden Urkunden finden sich in Plott's Geschichte von Staffordshire. Sie hatten eine sehr bunte und zierliche Kleidung, wodurch sie sich von allen übrigen Ständen unterschieden, und waren unter sich selbst von verschiednem Stande, Ansehen und Würde, denn einige hießen Squire minstrels, andere Yeomen minstrels, einige waren bey großen Herren oder angesehenen Familien als andre Ministeriales in Hofdiensten, andre zogen aufs Gerathewohl im Lande herum. Nach und nach aber verlohren sie ihr Ansehen, vielleicht weil sich der Geschmack der Großen änderte und sie sich desfalls zu geringern Leuten halten mußten, denn im neun und dreyßigsten Jahre der Königinn Elisabeth wurden sie durch ein besondres Statut zu lüderlichen Gesindel und Landstreichern erkläret. Unsre deutschen Meistersänger scheinen sich ehrbarer betragen, oder vielmehr unsre Großen in Deutschland scheinen später einen Geschmack an den Lateinern und Griechen gefunden zu haben; denn nur die Spruchsprecher, eine Art von Gelegenheitsdichtern aus dem Stegreife, hat in Karl V. und Rudolph II. Policeyordnung ein ähnliches Schicksal betroffen, nicht aber die so Meistergesang singen.

Nach Elisabeths Zeiten findet man zwar keine Spur mehr von ihnen in England; der Geschmack an ihren Liedern hat aber nicht aufgehöret. Viele [58] derselben singt der gemeine Mann noch itzo, und ihre Nachahmer waren unter König Jakob I. so häufig, daß eine Balladensammlung über die andre unter dem Titel von Garlands zum Vorscheine kam. Diese enthalten nebst einigen alten umgeschmolzenen, und wie unser schönes Heidenbuch verdorbnen verschiedne neue in altem Geschmacke gemachte Heldenlieder, die zwar in der Sprache und Versifikation reiner sind, doch nicht immer die Schönheit und Stärke der alten erreichen. Dieses müssen wir noch hinzufügen, daß die mehresten englischen Meistersänger aus den nördlichen Provinzen waren, und daß sie in alten lateinischen Chroniken immer mimi, histriones und joculatores, niemals aber citharoedi oder cantatores genannt werden, daher sich vermuthen läßt, daß ihr Singen mit einer Gesticulation oder Vorstellung begleitet gewesen, unsre Bänkelsänger, wenigstens die man als die ausgeartetesten Nachkommen und Abkömmlinge der Meistersänger ansehen kann, pflegen die gemachten Abbildungen ihrer Mordgeschichte nicht zu vergessen.

Der vor dem dritten Bande befindliche Versuch über die gereimten Romanzen hängt mit dem vorigen so genau zusammen, daß wir auch diesen durchgehen wollen, ehe wir von der Sammlung selbst ein mehreres sagen. Die älteste Geschichte aller Völker ist gesungen worden. Zwischen Römern, Deutschen und Nord-Amerikanern ist hierinn kein Unterschied. Von den nordischen europäischen Nationen weis man zuverläßig, daß jeder König, jeder Feldherr, und fast jede edle Familie ihren Barden [59] hatte, und daß deren Lieder durch die mündliche Ueberlieferung zum Theil beybehalten worden sind; man kann daher viele in dieser Sammlung stehende Lieder als sehr alte Denkmaale der sächsischen und englischen Geschichte ansehen. Zwar können sie, wie Oßians Fingal und Temora, auf die Zeiten der alten <Brittannier> keinen Anspruch machen; allein, verschiedne schreiben sich wahrscheinlich aus denen angelsächsischen und dänischen Zeiten her, und dienen wie die alten Sagen der Einwohner von Scandinavien, zu einem unumstößlichen Beweise, daß lange vor den Zeiten der Kreuzzüge und der Ritterschaft bey den älteren Völkern, celtischen Ursprunges, eben dieselbigen Irrthümer, Vorurtheile, und abergläubische Gewohnheiten und Meynungen geherrschet haben, die man hernachmals bey den förmlichen Rittern und Romanenschreibern in so überschwenglichem Grade antrifft; dieselbige Verachtung des Todes, dieselbige Neigung zum Kriege, zum Zweykampfe, zu Abentheuern, und zu der den Griechen und Römern so unbekannten Galanterie gegen das Frauenzimmer, eben derselbige Glaube an Riesen, Zwerge, Zauberer und Drachen etc. Müssen wir also den Provenzaldichtern und Franzosen alleine die Erfindung der Ritterlieder, und der Romanen zu schreiben? Den Namen sind wir ihnen schuldig und weiter nichts: denn daß sie und ihre Nachfolger nach und nach mehr von der Wahrheit abgegangen, macht nach unserm Bedünken keinen Unterschied, weil der Beweis schwer, ja ohnmöglich fallen möchte, daß sie sich blos mit erdich[60]teten Helden und Thaten, die ältern Barden und Minstrels aber mit der lautern Wahrheit beschäfftigt hätten. Auch thut dieses nichts zur Sache, daß nach den Zeiten der Kreuzzüge der Ritterstand ein förmlicher Orden, und häufiger ein Gegenstand der Dichter geworden sey, denn nicht alle Gedichte der Meistersänger sind der Ritterschaft und ihren Abentheuren gewidmet gewesen. Wir wollen aber diese unsre Vermuthung hier nicht weiter ausführen, um dagegen von der Geschichte der merkwürdigsten alten englischen Romane noch etwas erwähnen zu können. Als Wilhelm der Eroberer (Sec. XI.) die Schlacht bey Hastings liefern wollte, sangen seine Soldaten die Thaten des großen Roland. Von dem gehörnten Ritter (Hornechild. Child bedeutet einen jungen Rittersmann, oder Knapen, oder Infanten) vermuthlich Siegfried, findet sich in der harleianischen Bibliothek eine Handschrift in alten angelsächsischen Versen, die Herr Percy mit Recht für ein ursprünglich sächsisches Stück ansiehet, wie die Geschichte des Königs Arthur, des Ritter Guy und Bewis, nebst vielen andern, die in dieser Sammlung entweder eingerückt oder beschrieben sind, für ursprünglich englische. Was Roland für die Franzosen, und ihre Nachahmer die Spanier und Italiener war, ist Arthur für die Engländer. Seine Ritter findet man in hundert andern Liedern und Gedichten wieder, und immer mit einer sehr genauen Beybehaltung ihres Charakters. Sir Gawain ist immer höflich, artig und galant. Sir Kay grob und ge[61]rade zu. Lancellot loyal, sans peur & sans reproche, u.s.w. Des Herrn Herausgebers Wunsch ist zwar, daß die vielen in den englischen Bibliotheken herumsteckenden größern und auch prosaischen Romane, deren er sehr viele namhaft macht, bekannter gemacht werden möchten; er hat sich jedoch nur auf die kleinern Balladen und Lieder eingeschränkt. Von diesen kann man nun größtentheils sagen, daß die edlern Adern des Ariost und Tasso aller Orten durch den Wust der barbarischen Zeiten durchschimmern. Wem diese schätzbar sind, wen die rauhe ungekünstelte Majestät und Einfalt der Natur und des Genies reizet, oder wer mit forschendem Auge der Wahrheit und den Sitten in allen Jahrhunderten nachspüret, und aus einer vernünftigen Billigkeit keines, und also auch die Ritterzeiten nicht verachtet, weil sie in den lateinischen Schulen, und eben oftmals darum barbarisch gescholten werden, weil man sie so wenig als die neuere Welt, in der wir leben, kennet; dem kann diese Sammlung nicht anders als höchstschätzbar seyn. Den historischen Nutzen solcher Lieder und der Romanen überhaupt schildert Selden meisterlich, wenn er sagt: "An leicht in die Luft geworfner Spreu sieht man besser woher der Wind gehe, als an einem schweren Steine: und die Beschaffenheit, die Sitten und Denkungsart der Zeiten lassen sich aus nichts besser lernen, als aus Gassenliedern, Pasquillen, u.d.g".

Um unser Urtheil über den poetischen Werth der mehresten in dieser Sammlung befindlichen Stücke zu rechtfertigen, erinnern wir unsre Leser an Addi[62]sons Lobsprüche der Chevy-Chace, welche in dem englischen Zuschauer stehet, und versichern sie, daß sie mehrere gleich alte und schöne Stücke darinn antreffen werden. Chaucer, Shakespear, und alle die seinen Fußstapfen gefolgt sind, haben es gewußt, und auf diese Lieder, die vor Zeiten der Zeitvertreib und die Lust der größten Männer waren, theils hundert Anspielungen gemacht, theils auch sich mit vielen daraus erborgten Federn geschmücket, oder durch ihre Schönheit zu einem ähnlich schönen Enthusiasmus hinreissen lassen. Der Herausgeber hat daher oft Gelegenheit, den armen Shakespear aus diesen Balladen gegen die oft unbarmherzigen Kritiken des Theobald und Pope zu rechtfertigen und zu erklären, wie er denn in dem ersten Bande eine ganze Reihe Balladen that illustrate Shakespear hat abdrucken lassen, die er mit einer lehrreichen Abhandlung über das englische Theater begleitet hat. Von letzterer wünschten wir, daß sie allen unsern Kunstrichtern, besonders den jüngern bekannt seyn möchte. Sie würden daraus lernen, daß die französischen Regeln des Schauspiels nicht die einzigen sind; daß die Mysteries, Moralities, Masks, Histories, Comedies and Tragedy's ihre eignen Regeln haben, und daß es eben so ungerecht seyn würde, Shakespearn, der oft nur eine dramatische Historie hat schreiben wollen, nach denen ihm ungekannten neuen französischen Regeln der Tragödie zu beurtheilen, als wenn man die Geschichtschreiber Tacitus, Livius und Hume darum tadeln wollte, weil sie in ihrer Erzählung nicht so einfach und ge[63]schmückt sind, als es die neuern Romanenschreiber seyn sollen.

In searsh of Wit they lose their common sense,
And then turn Critics in their own defence.
Each burns alike, who can or cannot write,
Or with a Rival's or an Eunuchs spite.

Ausser der ebenerwähnten Chevy-Chace, davon eine sehr alte und eine neuere Abschrift abgedruckt worden, sind Sir Caulme, King Estmer, Child of Elle, Lancellot, die geduldige Gräfinn, der Abschied an die Liebe, Alcanzor und Zayda im ersten Bande, der andern nicht zu erwähnen, ungemein schöne Stücke. Im zweyten sind ein Pasquil auf den Kaiser Richard, spätestens zu König Richard des Zweyten Zeiten gemacht, ein Siegeslied auf die Schlacht bey Azincourt, Rosamunde, die Bettlers Tochter, verschiedne von der Königinn Elisabeth, von Jakob und Karl dem Ersten und Jane Shore sehr merkwürdig. Im dritten sind es the mariage of Sir Gawain, Glasgerion, the boy and the mantle, Child Waters, the lady turned a serving man und George Barnwel eben so sehr. Damit man nicht nöthig habe, es uns blos auf unser Wort zu glauben, so wollen wir einige Proben davon einrücken.

 

[64] I. King Estmere, Vol.I. p. 56 etc.

Hearken to me, gentlemen,
    Come and you shall heare;
Ile tell you of two of the boldest brethern,
    That ever born y-were.

The tone of them was Adler yonge
    The tother was King Estmere;
There were as bolde men in their deedes,
    As any were farr and neare.

As they were drinking ale and wine,
    Within Kyng Estmeres hall:
Whan will ye marry a wyfe, brother,
    A wyfe to gladd us all?

Estmers Antwort ist, er wüßte keine die sich zu seinem Stande schickte; Adler erwiedert:

Kyng Adland hath a daughter, brother,
    Men call her bright and sheene;
If I were Kyng here in your stead
    That ladye sholde be queene.

Um durch den Unterhändler nicht hintergangen zu werden, entschließen sie sich selbst hin zu reuten:

Thus the renisht them to ryde
    Of twoe good renisht steedes,
And when they came to Kyng Adlands halle,
    Of red gold shone their weedes.

[65] And when they came to Kyng Adlands halle
    Before the goodlye yate,
Ther they found good Kyng Adland,
    Rearing himselfe theratt.

Ohngefähr so wie beym Homer ein fremder König an der Thüre des Ulysses wartend und sich anlehnend, Odyss. I. v. 105. vorgestellet wird. Sie bringen ihr Gewerbe an; erfahren aber, daß die Prinzeßinn den Tag vorher dem Könige Bremor aus Spanien eine abschlägige Antwort gegeben habe, und man befürchte, es würde ihnen nicht besser gehen. Bremor

        is a foule paynim (Heyde, Ungläubiger)
And pleeveth on Mahound (Mahomed)

und hatte gedrohet, er wolle dem König Adland durch Feuer und Schwerd seine Tochter abzwingen: Adland ist also nicht damit zufrieden, daß seine Tochter gegen Estmern einige Neigung empfindet. Sie antwortet aber:

Your castles and your towres, father,
    Are strongly built aboute;
And therefore of that foule paynim
    We neede not stande in doubte.

Plyght me your troth, nowe Kyng Estmere,
    By heaven and your righte hand,
That you will marrye me to your wyfe,
    And make me queene of your land.

[66] Es geschieht. Er reiset sogleich ab, um seine Vasallen gegen den König von Spanien und zu Adlands Schutze aufzubieten. Kaum aber hat er den Rücken gewandt, so ist letzterer schon da with many a grimme baròne. Es muß also Estmern ein Page nachreuten, damit er so gleich zurück komme

                      and fighte
Or goe home and lose his ladye.

Sein Bruder hat einen Einfall. Er sagt:

My mother was a westerne woman,
    And learned in gramarye (Grammatik oder Zauberey.)
And when I learned at the schole,
    Something shee taught it me.

There groweth an herbe within this fielde
    And if it were but knowne,
His colour, which is white and redd,
    Itt will make blake and browne.

His colour, which is browne and blacke,
    It will make redd and whyte,
That sword is not in all Englande,
    Upon his coate will byte.

An you shall be a harper, brother,
    Out of the north countree;
And Ile be your boye, so faine of fighte,
    To tear your harpe by your Knee.

[67] And you shall be the best harpèr,
    That ever took harpe in hand;
And I will be the best singer,
    That ever sung in this land.

It shall be written in our fourheads
    All and in Gramaryè,
That we towe are the boldest men,
    That are in all Christentyè.

So kommen sie unerkannt an Adlands Schloß. Den Pförtner bestechen sie. Er erkennet sie, und lässet sie auf den innern Schloßhof reuten, wo sie den König Bremor antreffen. Estmer reutet ihn dichte auf dem Leib.

Kyng Estmere he light of his steede
    Up att the fayre hall board;
The frothe, that came from his brydle bitte,
    Light on Kyng Bremors beard.

Sayes, stable thou steede, thou proud harper,
    Goe stable him in the stalle;
Itt doth not beseeme a proud harpèr
    To stable him in a Kyngs halle.

My ladd he is so lither he sayd,
    He will do nought that's meete;
And aye that I cold but find the man
    Were able him to beate.

[68] Bremor verspricht, den Mann herbeyzuschaffen. Estmer antwortet:

O lett that man come downe, he sayd,
    A sight him wolde I see;
And what hee hath beaten well my ladd,
    Then he shall beate of mee.

Er kommt, der herbeygerufne Held; aber es vergeht ihm der Muth.

He sayes, Itt is written in his forhead
    All and in gramaryè,
That for all the gold that is under heaven
    I dare not neigh hym nye.

Kyng Estmere then pulled forth his harpe
    And played theron so sweete:
Upstarte the ladye from the Kynge
    As hee sate at the meete.

Nowe stay thy harpe, thou proud harpèr,
    Now stay thy harpe I say;
For an thou playest as thou beginnest,
    Thou'lt till my bride away.

He stroke upon his harpe agayne
    And playd both fayre and free;
The ladye was so pleasde ther att,
    She laught loud laughters three.

[69] Nowe sell me thy harpe, sayd the King of Spaine,
    They harpe and stryngs each one,
And as many gold nobles thou shalt have
    As there be stryngs thereon.

Nowe sell me, Syr King, thy bryde soe gay,
    As shee sitts laced in pall,
And as many gold nobles I will give
    As there be rings in the hall.

Hee played agayne both loud and shrille
    And Adler he did syng,
"O ladye, this is thy owne true love,
    Noe harper but a Kyng.

O ladye, this is thy owne true love,
    As plainlye thou mayest see;
And Ile ride thee of that soule paynim,
    Who partes thy love and thee".

The ladye louked, the ladye blushte,
    And blushte and lookt agayne,
While Adler he hath drawne his brande,
    And hath Syr Bremor slayne.

Kyng Estmere threwe the harpe asyde,
    And swith he drew his brand;
And Estmere he and Adler yonge
    Right stiffe in stour can stand.

 

[70] Wir empfehlen den Kennern der englischen Sprache, dieses sehr alte Stück nicht als ein Meisterstück der Poesie, sondern wegen der Einfalt der Sitten und des Ausdrucks. Schöner noch, aber etwas neuer ist die schöne Rosamunde.

 

II. Fair Rosamond. Vol.II. p. 133

When as King Henry rulde this lande,
    The second of that name,
Besides the queene, he dearly lovde
    A fair and comely dame.

Most peerlesse was her beautye founde,
    Her favour and her face;
And sweeter creature in this worlde
    Could never Prince embrace.

Als König Heinrich, dieses Namens
    Der Zweyte noch dieß Land beherrscht,
Liebt er ein schön und lieblichs Mädchen
    Noch ausser seiner Königinn.

Ihr Reiz fand nirgends ihres gleichen,
    So wie ihr Wesen und Gesicht,
Kein Fürst auf dieser ganzen Erde
    Umarmt ein süßeres Geschöpf.

[71] Her crisped lockes like threads of golde,
    Appear'd to each mans sight;
Her sparkling eyes like Orient pearles,
    Did cast a heavenlye light.

The blood within her crystal cheekes,
    Did such a colour drive,
As though the lillye and the rose
    For mastership did strive.

Yea, Rosamonde, fair Rosamonde
    Her name was called so,
To whom our queene, dame Elinor,
    Was known a deadlye foe.

Ihr kraußes Haar schien jedem Blicke
    Den reinsten Fäden Goldes gleich:
Ihr glänzend Aug warf wie die Perlen
    Aus Morgenland ein himmlisch Licht.

Das Blut trieb eine solche Farbe
    Auf der crystallnen Wange vor,
Als ob die Lilie und Rose
    In Wettstreit um den Vorzug war.

Ja Rose, schöne Rosamunde,
    Ihr Name ward also genannt,
Der unsre Königinn Leonore
    Bis auf den Tod gehäßig war.

[72] The King therefore, for her defence,
    Against the furious queene,
Ad Woodstock builded such a bower,
    The like was never seen.

Most curiously that bower was built,
    Of stone and timber strong,
And hundered and fifty doors,
    Did to this bower belong.

And they so cunningly contriv'd
    With turnings round about
That none but with a clue of thread
    Could enter in or out.

Zu Woodstock baut also der König,
    Sie wider der Gemahlinn Wuth
Zu schützen, eine Burg, dergleichen
    Man noch niemals vorher gesehn.

Sie war so wunderbar gebauet,
    Von Steinen und von Holze fest,
Und dreymal funfzig Thüren giengen
    In diese ungeheure Burg.

Mit so viel künstlich schlauen Krümmen
    War alles umher angebracht,
Daß nur durch einen Knaul von Fäden
    Hier ein und aus zu gehen war.

[73] And for his love and ladyes sake
    That was so faire and brighte
The keeping of this bower he gave
    Unto a valiant knight.

But fortune, that doth often frowne
    Where shee before did smile,
The Kinges delighte and ladies joy
    Full soon shee did beguile.

For why, the Kinges ungracious sonne,
    Whom he did high advance,
Against his father raised wares
    Within the realm of France.

Um seiner liebsten Lady wegen,
    Die so sehr schön und prächtig war,
Vertraut er einem tapfern Ritter
    Die Wache über diese Burg.

Allein das Glück, das oft ergrimmet,
    Wo es zuvor gelächelt hat,
Betrog mit aller seiner Tücke,
    Des Königs Glück, der Schönen Lust.

Der undankbare Sohn des Königs,
    Den er zu großer Ehr erhob,
Erregte wider seinen Vater
    Krieg in dem Reiche Galliens.

[74] But yet before our comelye King
    The english land forsooke,
Of Rosamond his lady faire.
    His farewell thus he tooke.

My Rosamonde, my only Rose,
    That pleasest best mine eye:
The fairest flower in all the worlde
    To feed my fantasye.

The flower of mine affected heart
    Whose sweetness doth excelle:
My Royal Rose a thousand times
    I bid thee now farewelle!

Doch eh noch unser süßer König
    Sein Engelland verließ, nahm er
Von seiner schönen Rosemunde
    Sein letztes Lebewohl also:

O Rosemunde, meine Rose,
    Du meiner Augen höchste Lust,
Die schönste Blum in allen Landen,
    Zu nähren meine Phantasey!

Du meines fühlbarn Herzens Blume,
    Was gleichet dir an Süßigkeit,
Du meine königliche Rose
    Leb wohl, zu tausendmalen wohl!

[75] For I must leave my fairest flower,
    My sweetest rose a space
And cross the Seas to famous France
    Proud rebelles to abase.

But yet my Rose, be sure thou shalt
    My coming shortly see,
And in my heart, when hence I am,
    Ile beare my Rose with mee,

When Rosamond, that ladye bright
    Did heare the King saye soe,
The sorrow of her grieved heart
    Her outward lokes did showe;

Dich, schönste Blume, süßste Rose,
    Muß ich verlassen einge Zeit:
Nach Frankreich jene See durchkreuzen,
    Des Aufruhrs Stolz zu bändigen.

Doch meine Rose, glaub in Kurzem
    Sollst du mich wieder bey dir sehn:
Bin ich gleich fort, in meinem Herzen
    Nehm ich doch meine Rose mit.

Als Rosamunde, diese Schöne
    Des Königs Worte kaum gehört,
Erklärten ihre äußern Blicke
    Den Kummer, der ihr Herz durchdrang.

[76] And from her clear and cristall eyes
    The tears gusht out a space,
When like the silver-pearled dew
    Ran downe her comely face.

Her lipps, erst like the corall redde,
    Did waxe both wan and pale,
And for the sorrow she conceivde,
    Her vital spirits faile;

And falling down all in a swoone
    Before King Henryes face.
Full oft he in his princely armes.
    Her body did embrace.

Aus ihren hell crystallnen Augen
    Stieg Thräne über Thräne vor,
Und lief gleich silberperlen Thaue
    Ihr durch das glänzende Gesicht.

Die Lippen, roth erst wie Korallen
    Entfärbten sich und wurden bleich:
Und ihre Lebensgeister flohen
    Vor Jammer, der sie überfiel.

Und sank in eine Ohnmacht nieder
    Vor König Heinrichs Angesicht;
Er schlang in seinen Helden Waffen,
    Die Arme brünstig um sie her;

[77] And twentye times, with watery eyes,
    He kist her tender cheeke,
Until he had revivede again
    Her senses mild and meeke.

Why grieves my Rose, my sweetest Rose?
    The King did often saye,
Because quoth shee, to bloodye warres
    My Lord must part awaye.

But since your grace on forrayne coastes,
    Among your foes unkinde,
Must goe to hazard life and limbe,
    Why should I stay behind?

Und küßte wasservoll die Augen
    Die zarte Wang ihr zwanzigmal,
Bis ihre sanft und weichen Sinnen
    Zum Leben er aufs neu erweckt.

Was trauert meine süße Rose,
    Du meine Rose, sagt er oft?
Dieweil, versetzt sie, mein Geliebter,
    Zu blutgen Kriegen reisen muß.

Doch da mein Herr auf fremden Küsten
    Dort unter wilden Feinden muß
Sein Leben, seine Glieder wagen,
    Warum denn blieb ich hier zurück?

[78] Nay rather, let me like a page
    Your sword and target beare;
That on my breast the blowes may lighte,
    Which would offend you there.

O lett me in your royal tent,
    Prepare your bed at nighte,
And with sweete bathes refresh your grace;
    At your returne from fighte.

So I your presence may enjoye
    No toil I will refuse;
But wanting you my life is death;
    Nay death I'll rather chuse!

Nein, gieb, gleich einem Edelknaben
    Dein Schwerd und deine Tartsche mir,
Daß meine Brust die Streiche fange,
    Dich zu verwunden abgeschickt.

Des Nachts laß mich dein Bett bereiten
    In deinem königlichen Zelt
Und dich mit süßen Bädern letzen,
    Wenn du aus dem Gefechte kömmst.

So kann ich deiner doch genießen,
    Und will gern keine Arbeit scheun:
Doch fehlst du, so ist Tod mein Leben;
    Ja lieber wähl ich selbst den Tod. –

[79] Content thyself, my dearest love;
    Thy rest a home shall bee,
In Englandes sweet and pleasant isle;
    For travel fitts not thee.

Faire ladies brooke not bloodye warres;
    Soft peace their sexe delightes;
Not rugged campes, but courtlye bower;
    Gay feastes, not cruell fightes.

May Rose shall safely here abide,
    With musick passe the day;
Whilst I, among the piercing pikes,
    My foes seeke far away.

Beruhige dich, beste Liebe;
    Zu Hause sollst du ruhig seyn
In Englands lieblich süßer Insel;
    Denn Reisen, sprach er, ziemt dir nicht.

Der blutge Krieg ist nicht für Schönen,
    Und Fried entzückt nur ihr Geschlecht,
Nicht rauhe Lager: prächtge Lauben,
    Und Freudenfest', nicht harter Kampf.

Ja, Rose soll hier sicher bleiben,
    Der Tag verfließ ihr in Musik,
Indeß such unter spitzen Speeren
    Ich in der Ferne meinen Feind.

[80] My Rose shall shine in pearle and golde
    Whilst I in armour dighte;
Gay gaillards here my love shall dance
    Whilst I my foes goe fighte.

And You Sir Thomas, whom I truste
    So bee my loves defence;
Be carefull of my gallant Rose
    When I am parted hence.

And there withal hee fetcht a sigh,
    As though his heart would breake:
And Rosamonde for very griefe
    Not one plaine word could speake.

In Perl und Gold soll Rose glänzen,
    Indem der Panzer mich umschließt
Hier soll mein Liebchen lustig tanzen
    Wenn mit dem Feind ich kämpfen geh.

Und du, Sir Thomas, den ich wähle,
    Zum Schutz für mein geliebtes Kind,
Wach über meine schöne Rose,
    Wenn ich von ihr entfernet bin.

Hier schöpft er einen tiefen Seufzer
    Als bräch ihm gänzlich nun sein Herz,
Sie aber bracht aus großen Kummer
    Nicht mehr ein deutlich Wort hervor.

[81] And at their parting well they mighte
    In heart be grieved sore:
After that daye faire Rosamonde
    The King did see no more.

For when his grace had past the seas
    And <into> France was gone;
With envious heart, queen Elinor
    To Woodstocke came anone.

And forth shee calles this trustye knighte
    In an unhappye houre;
Who with his clue of twined thread
    Came from this famous bower.

Und ihre Herzen wollten brechen
    beym Abschied tiefer Wunden voll:
Seit diesem Tag sah nie den König
    Die schöne Rosemunde mehr.

Denn kaum hat er die See durchstrichen,
    Und war in Frankreich angelangt,
So kam die Königinn Leonore
    Voll bittern Neid in Woodstock an.

Und rief zur unglückselgen Stunde,
    Den treuen Ritter zu sich hin,
Der mit dem Knaul gewundner Fäden
    Aus dieser Burg hernieder kam.

[82] And when that they had wounded him
    The queene this thread did gette,
And went where ladye Rosamonde
    Was like an engell sette.

But when the queen with stedfast eye
    Beheld her beauteous face,
She was amazed in her minde
    At her exceeding grace.

Cast of from thee those robes, shee said,
    That rich and costlye bee;
And drink thou up this deadlye draught
    Which I have brought to thee.

Und als sie den verwundet hatten,
    Gewann die Königinn den Knaul
Und gieng, wo Lady Rosemunde
    Geschmückt gleich einem Engel war.

Doch als sie hier mit starren Augen
    Ihr schönes Angesicht erblickt,
War sie ob ihrer seltnen Anmuth
    In ihrer Seele hocherstaunt.

Herab mit diesen schönen Kleidern
    Sprach sie, sie sind zu reich und schön,
Und trink dieß tödtliche Getränke,
    Das ich hier für dich mitgebracht.

[83] Then presentlye upon her Knees,
    Sweet Rosamonde did fall;
And pardon of the queen she craved,
    For her offences all.

Take pity on my youthfull yeares.
    Faire Rosamonde did crye;
And lett me not with poison stronge
    Enforced bee to dye.

I will renounce my sinfull life,
    And in some cloyster byde;
Or else be banisht if you please
    To range the world soe wide.

Gleich fiel die schöne Rosamunde
    Auf ihre Knie demuthsvoll,
Und bat die Königinn, ihr alle
    Beleidigungen zu verzeihn.

Ach schrie, die schöne Rosemunde
    Erbarm dich meiner Jugend doch,
Laß mich den starken Gifft nicht trinken
    Der mich zu tödten ist bereit.

Ich will mein sündlich Leben bessern,
    Und irgend in ein Kloster gehn:
Wo nicht, laß mich die Welt durchirren
    Und banne mich, wohin du willst.

[84] And for the fault, which I have done,
    Though I was forced theretoe,
Preserve my life and punish mee,
    As you think meet to doe.

And with these words, her lillie handes
    She wrunge full often there,
And downe along her lovelye face,
    Did trickle many a teare.

But nothing could this furious queene
    Therewith appeased bee;
The cup of deadlye poison stronge
    As she knelt on her Knee.

Und für die Schuld, die ich verbrochen,
    Ob ich sie gleich aus Zwang verbrach,
Schenk mir das Leben und bestrafe,
    Mich, wie es dir am besten dünkt.

Und ihre Lilien weissen Hände
    Rang sie bey diesen Worten oft,
Indem vom reizenden Gesichte
    Ihr manche Thräne tröpfelte.

Doch nichts von diesem allen konnte
    Der Königinn Wuth besänftigen;
Sie gab die tödtend giftge Schale,
    Indem sie kniend vor ihr lag.

[85] She gave this comelye dame to drincke,
    Who took it in her hand,
And from her bended Knee arose
    And on her feed did stand:

And casting up her eyes to heaven
    Shee did for mercy calle;
And drinking up the poison stronge,
    Her life shee lost withalle.

And when that death through everye limbe
    Had showde its greatest spite,
Her chiefest foe did plaine confesse
    Shee was a glourious wight.

Der Liebenswürdigen zu trinken,
    Die nahm es denn in ihre Hand,
Erhob die tiefgebeugten Kniee
    Und trat auf ihre Füße hin.

Und hob die Augen hoch gen Himmel,
    Indem sie um Erbarmung bat,
Und diesen starken Gifft austrinkend
    Gab sie alsbald ihr Leben auf.

Und als der Tod durch alle Glieder
    Sich in der größten Wuth gezeigt:
Gestand selbst ihre ärgste Feindinn,
    Daß sie nichts herrlichers gekannt.

[86] Her body then they did entomb
    When life was fled away,
At Godstowe, near to Oxford towne
    As may be seene this day.

Alsdenn begrub man ihren Körper
    So bald ihr Leben war entflohn.
Bey Godstow, das bey Oxford lieget,
    Wie heutigs Tags zu sehn noch ist.

Addison hat aus diesem rührenden Stücke eine Oper gemacht, welche unsern Lesern vielleicht schon bekannt ist.

Zum Beschlusse wollen wir aus dem dritten Bande noch ein kleines Stück anführen. Es heißt:

 

III. The Shepherd's Resolution,
            Vol. III. p. 120.

Shall I wasting in dispayre
Dye because a woman's fayre?
Shall my cheecks look pale with care,
Because anothers rosye are?
Be she fayrer than the daye
Or the flowerye meades in Maye,
    If she think not well of mee
    What care I how fayre she bee?

[87] Shall a womans goodnesse move
Mee to perish for her love?
Or her worthye merits knowne
Make mee quite forget my owne?
Be she meeker, kinder, than
The turtle dove or pelican
    If she be not so to mee,
    What care I how Kind she bee?

Be she good, or kind or fayre
I will never more dispayre.
If shee love mee, this believe
I will dye ere she shall grieve:
If she slight mee, when I woe,
I will scorne and let her goe:
    If she be not made for mee,
    What care I for whom she bee?

Sollt ich in Verzweiflung schmachten
Weil ein Mädchen reizend ist?
Mir der Gram die Wangen bleichen,
Weil auf ihren Rosen stehn?
Sie sey schöner, als der Tag
Blühend wie die Flur in May,
    Wenn sie mich nicht lieben will,
    Was frag ich, wie schön sie ist?

Sollt ich sterben ihr zu Liebe,
Weil sie voller Güte ist?
Oder ihr Verdienst nur schätzen,
Um für meines blind zu seyn?
[88] Turteltaub und Pelikan,
Sey nicht sanfter, gütiger,
    Wenn sie es für mich nicht ist,
    Was frag ich, wie gut sie ist?

Sie sey gut, holdselig, reizend,
Nein, verzweifeln thu ich nicht!
Liebt sie mich, so kann sie glauben,
Ich sterb, eh sie trauern soll.
Doch verachtet sie mein Weh,
So lach ich und laß sie gehn:
    Ist sie nicht für mich gemacht,
    Was frag ich, für wen sie ist?

Ein ähnliches Stück hat der Herr Hofr. Kästner aus Vanbrughs provoked wife nachgeahmt.

Wir wünschen am Ende, daß unsre Landsleute aus dieser Sammlung, welche mehrentheils lauter kleine Romanzen, so schön als Taßo's Klang, als Ariostens Lieder enthält, die wahre Würde und Natur der Romanze verehren und kennen lernen, und wenn sie selbst Romanzen schreiben wollen, sich diese lieber und die eben erwähnten Italiäner, als die traurigen Mordgeschichte unsrer Bänkelsänger zu Mustern wählen möchten: aber alsdenn müssen wir auch bitten, die Sitten der romantischen Zeiten besser zu studieren als es der Verfasser der Selinde, einer Geschichte aus den Ritterzeiten, welche im vorigen Jahre zu Augspurg gedruckt worden, gethan hat. Dieser Mann dichtet seiner Selinde, die doch in den Ritterzeiten gelebt haben soll, alle cerimonieusen Bedenklichkeiten einer [89] ehrbaren Jungfrau aus den schwäbischen Reichsstädten an; und ihrer Zofe, mit der sie sehr langweilige Berathschlagungen hält, alle Leichtfertigkeit und Plauderey einer gereiseten Trutschel. Auch aus dieser Ursache wünschten wir, bald eine Sammlung alter deutscher Heldenlieder und Muster zu erhalten. Von unsern Vorfahren sind wir überzeugt, daß sie in den alten Ritterzeiten, wie in keinem Stücke, also auch in der Dichtkunst nicht unter unsern Nachbaren gewesen sind; und wer wird ihnen itzo den Vorzug mit kalten Blute einräumen?

 

 

 

 

Erstdruck und Druckvorlage

Neue Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste.
1766, Bd. 2, Stück 1, S. 54-89.

Gezeichnet: R.

Die Textwiedergabe erfolgt nach dem ersten Druck (Editionsrichtlinien).


Neue Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste   online
URL: http://gdz.sub.uni-goettingen.de/dms/load/toc/?PID=PPN556514408
URL: http://opacplus.bsb-muenchen.de/title/213491-3
URL: https://catalog.hathitrust.org/Record/008697295
URL: https://de.wikisource.org/wiki/Zeitschriften_(Literatur)#213491-3

 

 

Zeitschriften-Repertorien

 

Das besprochene Werk

 

 

 

Literatur: Raspe

Anz, Thomas: Art. Rezension. In: Handbuch der literarischen Gattungen. Hrsg. von Dieter Lamping. Stuttgart 2009, S. 606-612.

Baatz, Christine: 'A Strange Collection of Trash'? The Re-Evaluation of Medieval Literature in Thomas Percy's Reliques of Ancient English Poetry (1765). In: Anthologies of British Poetry. Critical Perspectives from Literary and Cultural Studies. Hrsg. von Barbara Korte u.a. Amsterdam 2000 (= Internationale Forschungen zur Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft, 48), S. 105-124.

Connell, Philip: British Identities and the Politics of Ancient Poetry in Later Eighteenth-Century England. In: Historical Journal 49.1 (2006), S. 161-192.

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Groom, Nick: The Making of Percy's Reliques. Oxford 1999 (= Oxford English Monographs).

Herlinghaus, Hermann: Art. Populär / volkstümlich / Popularkultur. In: Ästhetische Grundbegriffe. Bd. 4. Stuttgart u.a. 2002, S. 832-884.

Howald, Stefan / Wiebel, Bernhard (Hrsg.): Das Phänomen Münchhausen. Neue Perspektiven. Kassel 2020.

Knapp, Lore u.a. (Grsg.): Britisch-deutscher Literaturtransfer 1756-1832. Berlin 2016.

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S. 158-160: Bernhard Wiebel: Kommentierte Bibliographie von Raspes wichtigsten Schriften.

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Michler, Werner: Kulturen der Gattung. Poetik im Kontext, 1750 – 1950. Göttingen 2015.

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Wagener, Haucke F.: Das Eindringen von Percys Reliques in Deutschland. Heidelberg Diss. 1897.
URL: https://archive.org/details/daseindringenvo00wagegoog

 

 

Literatur: Neue Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste

Bahr, Astrid: "Von Meisterhand gestochen". Zum Umgang mit dem Thema Druckgraphik in der Neuen Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste. In: Sächsische Aufklärung. Hrsg. von Anneliese Klingenberg u.a. Leipzig 2001, S. 269-280.

Habel, Thomas: Gelehrte Journale und Zeitungen der Aufklärung. Zur Entstehung, Entwicklung und Erschließung deutschsprachiger Rezensionszeitschriften des 18. Jahrhunderts. Bremen 2007 (= Presse und Geschichte – Neue Beiträge, 17).

Klingenberg, Anneliese: Ein Projekt zur Neuen Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste. In: Sächsische Aufklärung. Hrsg. von Anneliese Klingenberg u.a. Leipzig 2001, S. 173-196.

Kuhles, Doris: Deutsche literarische Zeitschriften von der Aufklärung bis zur Romantik. Bibliographie der kritischen Literatur von den Anfängen bis 1990. 2 Bde. München u.a. 1994.

Schürmann, Inga: Die Kunst des Richtens und die Richter der Kunst. Die Rolle des Literaturkritikers in der Aufklärung. Göttingen 2022.

 

 

Edition
Lyriktheorie » R. Brandmeyer